Die Titlis Bergbahnen bauen für 1,3 Millionen Franken eine 100 Meter lange Hängeseilbrücke auf 3’000 Metern über Meer. Einen triftigen Grund dafür gibt es nicht. Die Bahnen schenken sich die Brücke zum 100-Jahr-Jubiläum der Drahtseilbahn Engelberg – Gerschnialp.
Es wird also eine weitere sinnlose Brücke in den Alpen gebaut. Per Definition ist eine Brücke “ein Bauwerk zum Überspannen von Hindernissen in Verkehrswegen”. Die neue Brücke am Titlis wird die bestehende Aussichtsplattform beim Südwandfenster mit der Bergstation der Gletschersesselbahn “Ice-Flyer” verbinden.
Zitat aus der Medienmitteilung: “Der heutige Gast sucht Unterhaltung, Spass und Abenteuer. Die neue Hängeseilbrücke ist eine tolle Ergänzung zu bestehenden Angeboten auf dem Titlis wie Gletscherpark, Snow-Tubing, Gletscherpfad, Gletschergrotte, Photostudio, Uhrenshop sowie zahlreichen Restaurants. Mit der höchstgelegenen Hängeseilbrücke bringen wir dem Gast die Alpen näher und zeigen ihm eindrücklich die Tiefe, Weite und Mächtigkeit der Berge.”
So, so. Um den Alpen näher zu sein und Tiefe, Weite und Mächtigkeit der Berge zu erleben, brauche ich keine Hängeseilbrücke. Ein einfacher Berg zum Erwandern, mit Aussicht gesegnet, reicht. Der Aufstieg als solches macht die Mächtigkeit der Berge spürbar. Der Ausblick und folgende Abstieg die Weite der Alpen und die Tiefe der Täler zum Erlebnis.
Weiterer Auszug aus der Medienmitteilung: “Von der 100 Meter langen und gerade mal einen Meter breiten schwingenden Seilkonstruktion erleben die Besucher einen eindrücklichen Blick in den 500 Meter tiefen Abgrund der Titlis Südwand.”
Nur einen Meter breit ist das Ding? Das wird eng beim Kreuzen. Oder wird ein Einbahnbetrieb eingeführt? Und mal ganz ehrlich. Das ist doch nur wieder eine Brücke. Also ein richtiges “MVS (Mehr vom selben)-Angebot”. Also in sich überflüssig.
Anmerkung: Ich positioniere mich nicht gegen den Fortschritt. Auch ich nutze Seil- und Sesselbahnen als willkommene Abkürzung und schätze den Komfort eines modernen Schnellzuges. Unterwegs bin ich auch froh, wenn Brücken ein Hindernis überspannen oder einen Weg sicherer machen. Aber ich verweigere mich mit Nachdruck sinnlosen, nur dem kurzfristigen kommerziellen Erfolg dienenden Angeboten.
Denn irgendwann wird der aktuelle “Outdoor-Boom” wieder abflauen und die Menschen werden sich von diesen “MVS-Angeboten” abwenden. Früher oder später wird der Verstand eines jeden erkennen, dass der “Kick”, das versprochene ultimative Erlebnis nicht anhaltend ist. So eine Hängebrücke ist sicher spannend bei der ersten Begehung. Aber bei der zweiten oder dritten? Kommt dann das ultimative Gähnen?
Wie sehen Sie das, liebe Leserin, lieber Leser?
Herzlichst, Ihr Hängebrücken-Sternensauser-Cabriobahnen-und-ähnliches-Verweigerer
Gregor A. Ambühl
Wir zerstören, was wir lieben, das scheint leider ein Prinzip menschlichen Handelns zu sein. Augenfällig ist hier das Ausmass: Was verkaufen die Touristiker, wenn ihre Regionen visuell zu Tode verbaut, der Eventkalender am Infarkt gestorben ist, die Natur nur noch in schönen AV-Produktionen überlebt hat?
Die Hängebrücke ist genauso unnötig wie Europas höchste Golfballsammlung, eine Missgeburt degenerierter Gehirne